Zur Technik der Radierung

 

Die Radierung gehört, ebenso wie der Kupferstich, zur Familie der Tiefdrucktechniken und hat seinen Ursprung im lateinischen Wort radere (kratzen, schaben).

Um einen Tiefdruck herzustellen, muss zunächst eine Zink- oder 

Kupferplatte geschliffen und poliert werden. Anschließend werden 

auf ihr entweder mechanisch oder mit Hilfe von Säure Vertiefungen 

eingebracht. Diese werden danach mit Kupferdruckfarbe eingefärbt. 

All jene Farbanteile, die nicht in den Vertiefungen sitzen, werden vor 

dem Druck wieder entfernt. Schließlich wird die Platte auf die Radier-

presse gelegt und mit gefeuchtetem Papier bedeckt. Während des Druckvorgangs wird die Farbe aus den Vertiefungen ans Papier ge-

drückt und das radierte Motiv wird seitenverkehrt sichtbar. 

 

Erfindung und weiterentwicklung der Radierung

Gegen Ende des 15. Jahrhunderts löste die Erfindung der Radierung das erste druckgrafische Verfahren, den Holzschnitt, allmählich ab. 

Wahrscheinlich waren es die Goldschmiede, die den Kupferstich zunächst zur Vervielfältigung von Gravuren entwickelten und benutzten. Dieser stolzen Handwerkerzunft entstammte auch die Familie Albrecht Dürers. Daher ist nicht verwunderlich, dass ausgerechnet er den Kupferstich zu neuer Blüte trieb sowie im 16. Jahrhundert als einer der ersten die Radiertechnik erprobte. Deren entscheidendes Novum bestand im Einsatz von Säure, mit deren Hilfe man Vertiefungen fortan wesentlich leichter und schneller erzeugen konnte. Im Barock kamen dann neue Verfahren wie Aquatinta oder Mezzotinto hinzu, wodurch sich die Radierung zu einer virtuosen künstlerischen Technik entwickelte. 

 

Beispiel für eine Kaltnadelradierung

Hier wird mit einer Radiernadel oder anderen spitzen Gegenständen direkt in die Platte

geritzt. Säure wird nicht verwendet.

Beispiel für eine Ätzradierung

Hier werden Vertiefungen und Flächen mit Hilfe von Säure erzeugt. Als klassische Ätzverfahren gelten Aquatinta, Vernis mou und Strichätzung.

Beispiel für einen Experimentaldruck

Hier ist alles erlaubt: So werden nicht nur alternative Druckträger verwendet, sondern auch Bildelemente geprägt, überzeichnet, überdruckt oder collagiert.



Vom 20. Jahrhundert bis heute

Für das heutige Verständnis von Radierung ist unerlässlich zu verstehen, dass Druckgrafik bis Anfang des 20. Jahrhunderts vorrangig reproduktiv eingesetzt wurde. Von der Idee bis zum Druck glich die Bildproduktion lange Zeit einer Manufaktur, in der die Arbeiter hauptsächlich Bildideen Anderer umsetzten und oft hohe Auflagen einer einzelnen Platte druckten. Dies wandelte sich im 20. Jahrhundert grundlegend. Erste Schritte in diese Richtung unternahm neben Dürer vor allem Rembrandt. Er erkannte in der Radierung die Möglichkeit,

ein Motiv vielfach zu variieren ohne die Zwischenschritte für immer verloren geben zu müssen. Ab 1900 veränderte sich, parallel zu anderen Ausdrucksformen wie Malerei oder Skulptur, auch das Verhältnis zur Druckgrafik. Erste Impulse gingen von Künstlergruppen wie "Die Brücke" und "Der blaue Reiter" aus. In Frankreich setzte der Kunsthändler Ambroise Vollard entscheidende Impulse. So regte er prominente Maler wie Picasso dazu an, malerisch mit Druckgrafik zu experimentieren und gab ihnen hierfür nicht nur die nötigen finanziellen Mittel zur Hand, sondern stellte ihnen auch versierte Grafikdrucker zur Seite. Die Radierung verlor mit der Erfindung der Lithografie um 1798 zunehmend ihre Bedeutung, da die Lithografie wesentlich spontaneres Arbeiten, v. a. mit Farben, ermöglichte. Peu à peu wurde schließlich auch die Lithografie durch rentablere Techniken wie Sieb- und Offsetdruck obsolet. 

 

Spätestens seit dem Aufkommen digitaler Reproduktionsmöglichkeiten wird die Druckgrafik nur noch künstlerisch genutzt und ist zu Unrecht in eine Nische gerückt. Denn der Umgang mit Druckgrafik stellt aufgrund der Komplexität der jeweiligen Technik ganz besondere Anforderungen an den Künstler, sowohl motivisch als auch handwerklich. Doch auch jenseits der klassischen Verfahren hat die Grafik einiges zu bieten! Von der Handkolorierung über den Prägedruck, der Kombination verschiedener Drucktechniken bis hin zum Unikat. Die Abwendung vom klassischen Auflagendruck entspricht letztlich auch dem Wunsch vieler Käufer und Sammler, ein Unikat besitzen zu wollen.